Montag, 26. Oktober 2015

Extra virgin und virgin, die Qualitätsbezeichnung „ranzig“ und manche EU-Absonderheiten

Heute will ich Ihnen einen Einblick in die Welt der Olivenöl-Degustation verschaffen, und sie auf so manche unsinnige EU-Regelung aufmerksam machen:
          
Damit ein Olivenöl „extra virgin/nativ extra“ bzw. „virgin/nativ“ bezeichnet werden darf, muss es gewissen sensorische Qualitätskriterien entsprechen. Daher ist eine professionelle sensorische Überprüfung/ Kenntnis ein „Must“ für die Qualitätsbezeichnung.
1.       Extra virgin / nativ extra:
Zur Erinnerung:  Damit sich ein Olivenöl extra virgin bzw. nativ extra nennen darf, müssen gewisse, von der Eu festgelegte Kriterien und Mindeststandards erfüllt sein. Das sind:
* Das Öl darf nur mittels mechanischen Verfahren hergestellt sein (Pressen und Extraktion)
* Das Öl muss in der chemischen Analyse Mindestwerte erfüllen – das sind die freien Fettsäuren, K-Werte, Peroxide und Wachse. Alles Werte die Auskunft geben über die Frische und Unversehrtheit der Oliven, das Alter des Öls, die Presstemperatur und ob es sonst gepantscht ist.
*  Es muss fehlerfrei (defektfrei) in Geruch und Geschmack sein!
Das ist die wirklich große Herausforderung für die Produzenten und die große Verantwortung für
die sensorischen Prüfpanels. Ich selbst durfte erst vor kurzem für Sokolio ("Verein zur Förderung hochwertiger Speisefette unter besonderer Berücksichtigung des Olivenöls. www.sokolio.at) als Prüfer teilnehmen. Was muss nun ein Prüfer wissen bzw. sensorisch bewerten können:
-          Die positiven Merkmale eines Olivenöls: dazu gehören Fruchtigkeit, Bitterkeit und Schärfe, und ob es „grün“ (aus unreifen Oliven) oder „reif“ ist. Bei de Fruchtigkeit muss der Prüfer fähig sein, unterschiedliche Geschmacksnuancen festzustellen, wie z.B. frisch geschnittenes Gras, Sauerampfer, Apfel, grüne/reife Banane, grüne Tomaten/Tomatenkraut, reife/blanchierte Tomaten, Artischocken, diverse Kräuter, Waldbeeren, ... Das ist der Freudvolle Teil einer Verkostung, wenn man fehlerfreie, vollmundige, wunderbar duftende und schmeckende Öle bewerten darf.
-          Doch im Wesentlichen geht es darum , mögliche sensorische Fehler heraus zu riechen und zu schmecken.  Dazu gehören v.a. Defekte wie „wärmestichig“, ein Fehler, der von der EU aus meiner Sicht völlig unpassend, weil vollkommen unterschiedliche Entstehungsursachen, mit „schlammig“ in eine Fehlerkategorie getan wurde.  „Essig-/weinartig, sauer, säuerlich“ ist ein Fehler, den man sehr gut erriechen kann. Weiters „modrig, feucht, erdig“, „frostgeschädigt“,  „ranzig“ und ein Sammelsurium von sonstigen Fehlern, von denen manche öfter und systematisch bei der Produktion entstehen können wie „ überhitzt, brandig“ (zu warm gepresst), oder „wurmstichig“, manche durch falsche Lagerung entstehen wie „metallisch“, „lakig“, „gurkenartig“,  manche Defekte, die nur ausnahmsweise vorkommen, wie „vertrocknete Oliven“, und dann gibt es Defekte, bei denen man sich schon wundert , wie die überhaupt entstehen können, wie „schmierölartig“.
Selbstverständlich weiß der Prüfer bei der Verkostung nicht, um welches Öl es sich handelt. Um eine subjektive Beeinflussbarkeit aufgrund der Farbe auszuschließen, werden die Öle in dunklen Ölen verkostet.  Und natürlich darf während der Verkostung kein Informationsaustausch zwischen den einzelnen Verkostern erfolgen. Die Bewertung der einzelnen Öle wird heute mittels Computer ausgewertet.
Es ist sicherlich nachvollziehbar, dass das Verkosten defekter Öle keine Gaumenfreude darstellt.
Die Bewertungsskala ist normalerweise von 1- 10, sowohl bei den positiven als auch bei den negativen Merkmalen, wobei Öle mit Defekten bis zu 3,5 bewertet, immer noch als „virgin / nativ“ bezeichnet werden dürfen.
Womit ich bei einer EU-Regelung bin, die für mich 1. Konsumentenunfreundlich, 2. Ehrliche Produzenten diskriminiert und 3. In sich und im Vergleich zu anderen Speiseölen unschlüssig ist:. Dazu müssen man wissen, wie Defekte entstehen:  So gibt es Defekte, die relativ leicht während der Ernte oder bei der Pressung entstehen können, wie wärmestichig, überhitzt oder auch säuerlich. Dadurch schmeckt das Öl zwar nicht mehr „rein“, aber es ist an sich nicht schlecht, d.h. bei leichten Defekten dieser Art kann man es zumindest zum Kochen, Braten etc. verwenden. Das ist vergleichbar mit Kürbiskernölen, bei denen die Kerne etwas zu heiß oder zu lang geröstet wurden.  Dann gibt es Defekte, die jedes andere Speiseöl sofort aus dem Verkaufsregal verschwinden lassen würden: wie passt es zusammen, dass ein, wenn auch nur leicht, ranziges Olivenöl immer noch unter der Bezeichnung „virgin“ verkauft werden darf? Das bedeutet eigentlich, dass der Konsument kein Rückgaberecht hat und mancher Produzent manche alte und leicht ranzige Öle als „nativ“ in den Markt bringen darf. Und kann sich jemand vorstellen, wie unangenehm ein Öl mit der Fehlerbewertung von "3,5 für ranzig" schmeckt!!! Aber ok, ranzig schmeckt nur scheußlich und verdirbt den Geschmack jeder Speise, ohne gesundheitliche Gefährdung. Noch schlimmer sind m.E. Öle, die modrig schmecken, was nur sein kann, wenn die Oliven nach der Ernte zu lange, meist in Feuchtigkeit, gelagert werden, und zum Gären und sehr oft zum Schimmeln angefangen haben. Oder für mich der absolute No-go: wenn Öle nach Schmieröl, Metall, Chemikalien schmecken. Da müsste der kleinste erkennbare Defekt dafür sorgen, dass das Öl sofort aus dem Verkehr gezogen wird, und nicht immer noch „virgin / nativ“ genannt werden darf, wenn es nicht schlechter als 3,5 bewertet wird, was im Rahmen der Durchschnittsbewertungen, schon ein sehr hoher Wert ist.

Es ist zu hoffen, dass es bei der EU baldigst ein Umdenken gibt.

Sollten Sie Fragen oder Anregungen dazu haben, gerne eine Degustation veranstalten wollen, oder Öle zum Verkosten einreichen wollen,

freut sich auf Ihre Nachricht


elitsa

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Frage: aus welchen Oliven entsteht das hochwertigere ÖL? 

Bild 1: sehr reife Oliven

Bild 2: grüne Oliven